Abstracts

Herbert Auinger

Über einige Irrtümer des Antirassismus

Die Antirassismus-Diskussion ist, wie sich das heutzutage im akademischen Milieu gehört, pluralistisch. Was denn unter „Rassismus“ zu verstehen sei oder nicht, das sei eine Frage der Definition. Je nachdem, ob diese nun „enger“ oder „weiter“ gefasst sei, falle ein Phänomen darunter oder auch nicht. Und das stimmt definitiv nicht. Denn wenn mit „Rassismus“ etwas gemeint ist, wenn dieser Terminus einen eindeutigen Gehalt hat, dann die Vorstellung, es gäbe wertvolle und minderwertige Menschen, und zwar gleich im Kollektiv, also verschiedene Menschensorten, die berühmten Rassen.

Alle Versuche, dem durch Umbenennen zu begegnen – „Roma“ statt „Zigeuner“ etc. –, gehen an der Sache vorbei. Im Erfolgsfall werden heute eben nicht mehr Zigeuner, sondern Roma diskriminiert: Der italienische Innenminister will sie registrieren, zählen und wenn möglich loswerden. Die „antirassistische“ Sprachkritik ist nicht kritisch, sondern ignorant. Sie nimmt das Offenkundige nicht zur Kenntnis und verharmlost den praktizierten Rassismus zur Respektlosigkeit durch leichtfertigen oder böswilligen diffamierenden Sprachgebrauch – so als könnte man durch die Verwendung „bösartiger“ Bezeichnungen quasi einen Aberglauben mit leider negativen praktischen Folgen erzeugen.

Demgegenüber wird sich die Kritik des Antirassismus nicht um das Thema herumschwindeln. Es gibt sie schon, die Wertvollen und die Minderwertigen; fragt sich nur, für wen und warum. Der Unterschied stammt garantiert nicht aus erniedrigendem Sprachgebrauch. Es ist etwa zu klären, warum Südtiroler – die verdienen den österreichischen und italienischen Doppelpass – für die Regierung offensichtlich wertvoller sind als Türken, denen der auf keinen Fall zusteht. Das übliche Kriterium des Kanzlers für die Wertvollen – bekanntlich die, „die ins System einzahlen“ – gibt die Distinktion in dem Fall jedenfalls nicht her. Durch die Ächtung der Bezeichnungen „wertvoll“ und „minderwertig“ ändert sich der Sachverhalt auch nicht. Außerdem stellt sich die Frage an den Alltags-Antirassismus: Welche Bezeichnung sollte man nun vermeiden – „Südtiroler“ oder „Türke“?


Evelyn Fürlinger

Feministischer Widerstand - Von den Suffragetten bis #metoo

Von den Suffragetten bis zur weltweit derzeit intensiv rezipierten #MeToo Bewegung lässt sich ein großer Bogen der verschiedensten feministischen Widerstandsformen spannen. Abgesehen von diesen bekannten Initiativen gibt es zahlreiche Aktionen, die im kulturellen Gedächtnis wahrscheinlich nicht (mehr) allzu präsent sind. Einige davon möchte ich in diesem Vortrag vorstellen und außerdem daran erinnern, dass feministische Kultur und feministischer Widerstand zu allen Zeiten nötig waren und leider nach wie vor sind.


Johannes Grenzfurthner

Eine persönlich-diskursive Auseinandersetzung mit dem Dagegensein

Ich bin in einer Zeit und mit einer Zeit aufgewachsen, in der es nichts mehr gab jenseits der Popkultur. Ich bin Kind einer Welt, in der auch kultureller Untergrund schon erwachsen  geworden war. Selbst solche Leute wie Marcel Reich-Ranicki oder andere ProphetInnen des schweinsledernen Bildungsbürgertums wurden uns durch TV-Kanäle und populistische Fernsehhahnenkämpfe präsentiert. Authentizität gab es nicht. Die Welt kam durch die Farbpunkte im Grundig daher, und kreative verarbeitet habe ich sie durch Collagen in selbstkopierten Fanzines. Welt war nur die Wahrnehmung von Kopien von Kopien von Kopien, und  selbst das Original war schon eine drittklassige Interpretation. Das ist natürlich gerade im Prozess des politischen Erwachsenwerdens schwierig. Ich war Teenager als die UdSSR aufgelöst wurde. Als Kind hatte ich Angst vor dem Ostblock, vor dem nuklearen Ende, und aufgeheizt wurde das durch Kulturprodukte wie Rocky IV oder Red Dawn. Und auf einmal war der Feind weg. Die Geschichte unseres  Erwachsenwerdens begann also mit dem Ende der Geschichte. Mit welcher Selbstverständlichkeit waren wir 1991 junge AntifaschistInnen? Wofür lohnte es sich zu kämpfen? Einer dieser Kämpfe war zweifellos der Streit um die Diskurshoheit und die Hegemonie des Netzes. Wer würde da gewinnen? Die Libertarier*innen? Oder die Anarchos? Oder waren die nicht vielleicht sogar im gleichen Lager? Jetzt, 25 Jahre und dutzende digitale Revolutionen später, stehen wir vor den Trümmern der Möglichkeiten der Kommunikation. Die  Welt ist zerschlagen und fraktalisiert. Aber bietet dieser Trümmerhaufen nicht auch eine Menge Potential?


Stephan Grigat

Oscar Wilde trifft Theodor W. Adorno & Guy Debord
Über Tabula rasa, rettende Kritik & kategorische Imperative


Nach Oscar Wilde sollte der Mensch seine Gesellschaft nicht nur frei, sondern auch schön gestalten. Der Dandy und Gentleman hat einen ebenso individualistischen wie ästhetischen Sozialismus begründet, von dem die moralinsaure, arbeitsfetischistische und kollektivistische Linke später kaum etwas wissen wollte. Zahlreiche Motive von Wilde finden sich allerdings in der Kritischen Theorie Adornos wieder, der in der Kunst eine Statthalterin der befreiten Gesellschaft sah. Dementsprechend ging es ihm um eine rettende Kritik am Bestehenden, die auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts reflektiert. Die Situationisten um Guy Debord hingegen wollten die Kunst „abschaffen“. Statt auf rettende Kritik setzten sie auf den großen Umsturz, das Tabula rasa des antireformistischen Radikalismus. Was das für das Nachdenken über politischen Widerstand bedeutet soll anhand der kategorischen Imperative von Karl Marx einerseits und von Adorno andererseits verdeutlicht werden.


Antje Hochholdinger

Von digitaler Verbundenheit zu gelebter Solidarität

Ein Erfahrungsbericht wie über Social Media Vernetzung eine Art gelebte postkapitalistische Nachbarschaftshilfe entstehen kann, ein Anregung zur Mitgestaltung jener Gesellschaft in der wir leben wollen, zur aktiven Solidarität.


Gerhard Kettler

„Gehen bis die Regierung geht?“
Demonstrationen als Ausdruck des Widerstands oder des Scheiterns
Ein Streifzug durch Protestaktivitäten vom Feber 2000 (oder ein bisserl davor) bis heute (oder in den nächsten Monaten)


Um Kritik an politischen Entscheidungen, Empörung über politische Ereignisse, Unzufriedenheit mit gesellschaftlichen Entwicklungen öffentlich zu artikulieren, sind Kundgebungen und Demonstrationen bisweilen für viele das Mittel der Wahl. Hier können organisierte und nicht organisierte Personen, die gleiche oder ähnliche politische Ziele verfolgen, zusammenkommen und gemeinsam ihren Inhalten lautere Stimmen verleihen, als dies vereinzelt möglich ist.

Ein Nachteil von Kundgebungen und Demonstrationen aber ist, dass damit oft nichts verändert wird.

Im Feber 2000 ist es den Demonstrant*innen gegen die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung mit einer außergewöhnlichen Spontanität und Vielfalt von Protesten, zusammen mit kritischen Wortmeldungen und Aktivitäten von Menschen und Institutionen in aller Welt, mit künstlerischen Interventionen und Boykotten, gelungen, dass rassistische und andere rechtsextreme Positionen und Aktivitäten der Regierungsparteien nicht sofort bei der Mehrheit der Gesellschaft als Normalzustand wahrgenommen und akzeptiert wurden. Weit über die Grenzen der üblichen Demonstrant*innenszenen hinaus wurde eine rechtsextreme Regierungsbeteiligung  zumindest als Tabubruch wahrgenommen und ihr in verschiedenen Formen Widerstand entgegengebracht.

Mittelfristig haben auch die Demonstrant*innenszenen des Jahres 2000 ihren Kampf verloren. 18 Jahre später sind rassistische und rechtsextreme Standpunkte auch bei jenen angekommen, die damals noch als „links“ gegolten haben. Sozialdemokrat*innen erheben heute Forderungen, wie dereinst nicht mal Jörg Haider. Das Ertrinkenlassen tausender Menschen und das Unterbinden von Rettungsversuchen ist 2018 nicht mal mehr unter Regierungskritiker*innen ein Thema, das geeignet wäre, größere Proteste auszulösen. Gerade mal 500 Menschen gingen im Sommer 2018 in Wien auf die Straße, um Solidarität mit kriminalisierten Seenotretter*innen und Flüchtenden zu zeigen.

Dennoch: Die Zahl der Kundgebungen und Demonstrationen hat seit Amtsantritt der rechtsextremen Regierung 2017 deutlich zugenommen. An einigen davon haben auch deutlich mehr Menschen teilgenommen, als an vergleichbaren in den Jahren zuvor, wenn auch bei weitem nicht so viel, wie von den jeweiligen Veranstalter*innen behauptet. Ein wahrnehmbarer Einfluss auf größere gesellschaftliche Diskurse ist aber bislang weitgehend ausgeblieben.

Vieles wird versucht: Immer wieder rufen verschiedene Gruppieren zu verschiedenen Aktivitäten zu verschiedenen Themen auf. Immer wieder bilden verschiedene Gruppierungen vermeintlich einigende Plattformen. Immer wieder werden verschiedene Demonstrationen mit Superlativen versehen. Immer wieder wird eine beliebige herannahende Jahreszeit zur „heißen“ erklärt. Immer wieder werden – bevorzugt die eigenen – Aktivitäten als erfolgreich gepriesen. Und immer wieder ändert sich trotzdem nichts. Deswegen nicht mehr zu demonstrieren, ist aber auch keine Lösung.

In dem Vortrag sollen die Proteste 2000 mit jenen heute und mit ein paar dazwischen verglichen werden, und die Frage diskutiert werden: Was hat damals funktioniert und was funktioniert heute und was nicht? Was macht Proteste, Kundgebungen, Demonstrationen wirkungsvoll? Wann führt Vielfalt zu Vernetzung und zu gesellschaftlichem Einfluss? Und wie kriegen wir das endlich hin?


Daniel Kulla

Die Arbeit nicht hoch oder nieder – sondern machen, alle füreinander!


Ob etwas als Kultur gilt, hat für elitäres Verständnis mit der Abwertung niederer oder "entarteter" Unkultur zu tun, für die landläufige Frage der Förderungsfähigkeit mit dem gesellschaftlichen, sprich: herrschaftlich-nationalen, Nutzen, gegenwärtig also etwa Kompatibilität mit linksliberal-sozialdemokratischem Antifaschismus, Antirassismus, Antisexismus oder mit rechtsliberal-konservativem Derailing und Rekuperieren. Im Sinne von Alltagskultur und Kultur als allgemein menschlicher Hervorbringung ist auch politisches Handeln fraglos eine kulturelle Praxis und muss nicht extra zu ihr erklärt oder erhoben werden.

Doch damit hören die falschen, ideologischen Gegenüberstellungen auch gar nicht auf. Dem bürgerlichen „autonomen Kunstwerk“, der größtmöglichen Künstlichkeit und scheinbaren Zweckbefreiung im Sinne einer maximalen Enthebung aus der Welt der Produktion und der Bedürfnisse, mit ihrer (antpolitischen Komplementärfigur des Kritikers – dem Verblendungszusammenhang, so total er ist, doch seltsam äußerlich – wird der den Produktionszwecken und tagespolitischen Aufgaben möglichst vollständig unterworfene Arbeiterkünstler und "organische Intellektuelle" entgegengesetzt.
Beides hindert das Aufkommen eines Selbstverständnisses als Arbeitskräfte, die nur durch Zusammenschluss ihre Lage dauerhaft und für alle verbessern konnten und können, und deren gemeinsame Gesellschaftlichkeit allein höhere Freiheitsgrade für jeden Einzelnen ermöglichen kann.


Ishan Raval

In Defense of the Common Existence of Great Art For Dark Times

With respect to times in which art is being called upon to play a public or political role, and in which the “public” is in disassembly in numerous respects, this talk will be exploring what role art could play as matter of political resistance, and what the greatest role is that art can play. Looking at the paucity of art attempting to be directly political in the US against the Trump presidency and otherwise, and looking at the appalling considerations of art also in vogue on the political right in the Anglosphere, we will ask whether the first and foremost task, political and otherwise, of the art world today is simply to make and affirm high-quality art. But who can enjoy art? Does art exist in and for the public? Does the public exist? We will also analyze the failure of political art and political engagement through art in terms of the disintegration of the public, and tie the difficulties faced by a democratic polity in exerting itself to the disconnect between art and the people. Again, the implication will be that rather than simply making political art or being “political” in increasingly futile ways, the most efficacious purpose of art may be to clean in its own house and devote itself to creating art, not just of merit, but also truly in and of the commons—a process that could aid forming the kind of collectivity that could effectively be political today.


Marie-Christin Rissinger

Protokolle einer abgesagten Zukunft

Privater Mietrechtsstreit? Hausbesetzung? Politischer Widerstand? Kunstaktion? Der Konflikt zwischen dem Kunst- und Kulturraum mo.ë und der Immobilienfirma Vestwerk lässt sich nicht einfach einordnen.

Welche Akteur*innen sind es, die den Wert eines Stadtteils schaffen und welche die, die hiervon profitieren? Das mo.ë, eine ehemalige Orden- und Metallwarenfabrik, lag mit seine unmittelbaren Nähe zum Yppenplatz - seit Jahren Schauplatz Investoren getriebener Aufwertung - mitten im Wiener Hotspot dieser Fragestellung.

Während in den 70er/80er der Kampf um Freiräume im Konflikt mit der Stadtpolitik ausgetragen wurde, sind heute die Gegenspieler in diesen Prozessen längst nicht mehr demokratisch gewählte Organe, sondern gewinnorientierte, lediglich ihren Gesellschaftern verpflichtete Unternehmen. Hat urbane Raumproduktion von unten das politische Argument verloren?


Frida Robles

The suns that have occurred


The apocalypse is the time when the moon was bloody and the stars fell like leaves, where the sky was no longer there. For the Aztecs, the Mictlan was the other world, a nine-level cosmos were dogs were there to guide you. Mythologies have been mostly crafted in order to explain a particular connection between time and space; a temporality. The Judeo-Christian apocalypse sets the mood for a teleological understanding of time in which a genesis is framed together with a material end of the world. The Aztecs believed in rotating eras; eras propelled by different suns: the water sun, the tiger sun, the rain sun, same at the end of its cycle turned the rain into drops of fire. Ancient Aztec temporality has its foundations on the idea of sacrifice, destruction, rebirth and cycles. There are eras, there are suns.